Wenn man mit Kindern und Jugendlichen über ihre Zukunftspläne und ihre Vorbilder spricht, entsteht in Tiefeninterviews meist eine sehr gedrückte Stimmung. Die jungen Leute heute sind in ein Zuviel geraten. Sie spüren den Fluch einer paradiesischen Bereitstellungs-Kultur, in der scheinbar alles bereits vorgegeben ist.
Diese berauschende digital-analoge Welt des „Alles ist möglich“ birgt einen ungeheuren Erwartungsdruck für die Heranwachsenden: Alles, was ihnen an Chancen und Optionen bereitgestellt wird, müssen sie auch irgendwie ergreifen. Langeweile, Einsamkeit, Erfolglosigkeit sind in der digital vernetzten Start-up-Welt tabuisiert. Leichtigkeit und Lebensfreude kommen in dieser multioptionalen Welt eher selten auf.
Den jungen Menschen fällt es schwer, ein konkretes Ziel zu entwickeln. Sie fragen sich: Wofür? Und wo sollte ich anfangen?
„Wir können heute viel mehr machen und uns verabreden als unsere Eltern früher, haben einen viel größeren Freundeskreis, aber irgendwie ist es auch nicht mehr so verbindlich wie früher. Man hat ja so viele Optionen.“
Eigentlich ist doch schon alles da! Mitunter beneiden sie dann ihre Großeltern oder Eltern, die noch etwas aufbauen, sich aus materiellen Einschränkungen und geistiger Enge befreien konnten. Sie selber hingegen haben das Gefühl, in einer Komfortzone zu leben, in der es einzig dafür zu sorgen gilt, dass alles bleibt, wie es ist. Zuweilen glimmt noch die Hoffnung auf, über Nacht zu einem Superstar zu werden, der alles Dagewesene toppt: ein YouTuber mit Millionen von Followern oder ein Start-up-Gründer, der mit Ende 20 schon Milliardär ist.
Jede konkrete Entscheidung, jede gezielte Weiterentwicklung erleben junge Leute angesichts dieses Erwartungsdruckes als persönliche Beschränkung und Bürde. Sie können sich daher oft nicht entscheiden und bleiben lieber in der Deckung. Es gibt für sie nicht mehr die großen Vorbilder, den einen Helden, der zum vorbildlichen und verbindlichen Leitstern für die eigene Entwicklung wird.
„Ich habe einen Freund, der hat 560 Flammen, voll krass. Wie hat der das geschafft?“
Allerdings gibt es eine ganze Armada von fragmentierten und temporären Helden. Vor allem die oft gleichaltrigen YouTuber sind für die Jugendlichen wichtige Entwicklungshelfer. Sie nehmen die Funktion einer großen Schwester oder eines großen Bruders ein.
Sie sind eben nicht die vollkommenen Siegertypen, sondern sie geben sich nahbar, ansprechbar und sie offenbaren ihre eigenen Schwächen. Dadurch befreien sie die Jugendlichen von dem lähmenden Perfektionszwang. Sie federn die Kluft zwischen Größenphantasien und Versagensängsten ab. Sie eröffnen den Weg in die analoge Alltagsgestaltung vom Fahrrad-Flicken, über das Schminken, Shoppen, Kuchen-Backen, Flirten, Sprachen-Lernen, bis zum Hausarbeiten-Schreiben oder der Auseinandersetzung mit der eigenen Pubertät. Über die neuen Helden auf Augenhöhe erzieht und unterrichtet sich die junge Generation praktisch selbst. Sie sucht ein neues Maß für ein gelingendes Leben in einer perfektionistischen Welt.
„Blogger haben eigentlich kein krasses Talent. Die bloggen ja nur. Das kann ja jeder. Die sind einfach, wie sie sind, und trotzdem sind sie was Besonderes. Die sind erfolgreich geworden, weil die Leute sie so mögen, wie sie sind.“
Die Ergebnisse basieren auf einer von rheingold durchgeführten Eigenstudie zum Thema „Helden der Kindheit“.
Hierzu wurden zehn rheingoldInterviews® und zwei rheingoldGroups® mit acht Befragten pro Gruppe sowie ein IntenseDay mit sechs Kindern durchgeführt und sich eine Woche lang mit zehn Kindern im täglichen Chat ausgetauscht. Außerdem flossen Erkenntnisse der Kinderstudie 2015 und der Jugendstudie 2017 mit ein.
rheingold GmbH und Co. KG
Kaiser-Wilhelm-Ring 46
50672 Köln
Telefon: +49 221-912 777-0
Fax: +49 221-912 777-55
E-Mail: rheingold@rheingold-online.de