Bewegtbild-Studie: Traumblase vs. Realitätsanker

Bewegtbild-Studie der Mediengruppe RTL und rheingold

Mediengruppe RTL Deutschland und das rheingold Institut werfen genauen Blick auf den Kulturumbruch der Videonutzung in Deutschland

Mit Video-on-Demand wurde der kulturelle Wandel der Bewegtbildnutzung in Deutschland eingeleitet. Die „neuen“ Videoanbieter am Markt haben durchgesetzt, was vor einigen Jahren nahezu unvorstellbar in Deutschland war – die Bereitschaft, für seine Alltagsflucht zu zahlen. Im Auftrag der Mediengruppe RTL Deutschland hat das Kölner Marktforschungsinstitut rheingold mit einer Bewegtbild-Studie untersucht, wie und wann Bewegtbildkonsum stattfindet, was Nutzer erwarten und was sie bewegt.

Bewegtbild im Wandel

Stephan Grünewald, Managing Partner rheingold institut, fasst das Kernergebnis der Bewegtbild-Studie „Bewegtbild im Wandel“ wie folgt zusammen: „Allzeit erreichbar und verfügbar, bei voller Kontrolle – so sieht der Alltag in unserer Gesellschaft aus. Die Medien differenzieren sich vor allem im Hinblick auf ihre Alltags-Relevanz. Das Fernsehen stützt die Alltags-Logik der Menschen, es strukturiert den Tag und konfrontiert mit den Geschehnissen der Welt da draußen. Als ‚mediale Gefühlsapotheke‘ bietet das Fernsehen zur Tageszeit passende Stimmungsangebote und es begründet eine Event-Plattform für Gemeinschaftsgefühle. Während das Fernsehen immer wieder in den Alltag zurückholt, bedient Video-on-Demand-Nutzung eine Tagtraum-Logik. Die Nutzung findet zurückgezogen statt. Der Zuschauer begibt sich in eine Traumblase und entflieht dem Alltag. Egal welche Motivation zur Bewegtbildnutzung greift – Fakt ist: Bewegte Bilder stoßen kreative Prozesse an und fördern die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben oder der Welt da draußen.“

Bewegte Bilder gibt es viele, aber neben dem Alltagsbeweger Fernsehen und der Traumfabrik Kino gewinnt Video-on-Demand als jederzeit verfügbare Tagtraumfabrik an Beliebtheit. Bei der Betrachtung der Nutzungsmotive ist es genauso wichtig, die Bewegtbildnutzung in die richtige Relation zu setzen. Auch wenn die Streamingdienste als sehr modern, selbstbestimmt und frei wahrgenommen werden, an die Nutzungszeiten und Nettoreichweiten von TV kommt Video-on-Demand nicht heran. Was die positive Bewertung ausmacht, ist das Gefühl, aus einem „unendlichen“ Fundus an Inhalten selbstbestimmt auswählen zu können – auch den Endpunkt seiner Nutzung. Nutzer erleben sich als Medien-Avantgarde und sind stolz auf ihre Binge-Watching-Erfolge. Allerdings kaschieren sie, dass sie sich für viele Stunden weitgehend stilllegen und suchtartig in parallele Welten eintauchen, die ihnen Erlebnissteigerungen versprechen, die bislang den persönlichen Tagträumen vorbehalten waren. Durch die ausgeprägte Nutzung befinden sich Zuschauer voll konzentriert und ohne jegliche Ablenkung in einer Traumblase, in der Regel alleine und sind sozusagen „lost im Stream“. Von daher ist Video-on-Demand zwar die unterhaltsame, attraktive, selbstbestimmte Festung, aber mit wenigen Impulsen für die eigene Lebensgestaltung und wenig Gesprächsanlässen, da Handlungsstränge zu verraten ein absolutes „No-Go“ ist.

TV sorgt für Realitätsanker

Die Erwartungshaltung gegenüber dem Fernsehen ist eine komplett andere. Fernsehen soll entspannt animieren und unterhalten. Nutzer können einfach einschalten und sich „berieseln“ lassen ohne sich dabei gleich in eine Traumblase zu verabschieden, denn TV sorgt für Realitätsanker, die von Zuschauern erwartet und geschätzt werden. Einerseits durch Werbung und auf der anderen Seite durch das Programm: Nachrichten, Talkshows, Ratgeber-Sendungen oder Reality-Formate – sie bieten dem Zuschauer den gesamten Kanon des Lebens und der Bezug zum eigenen Alltag kann immer hergestellt werden. Entgegen der Video-on-Demand-Nutzung, die meist gezielt und homogen vonstattengeht, gibt es in der linearen Fernsehwelt das eine oder andere zu entdecken, was nicht unbedingt den eigenen typischen Sehgewohnheiten entspricht und den Blick auf Neues, Unbekanntes lenkt. Gleichzeitig sorgt der Realitätsbezug für Ordnung und Struktur. Festgelegte Uhrzeiten und Sendeplätze geben Nutzern Orientierung und bieten Endpunkte. Geschichten werden zu Ende erzählt und der Zuschauer in die Realität zurückgeholt. Die Linearität des Fernsehens schafft gleichzeitig auch gesellschaftliche Ereignisse – vor allem große Events sorgen für gemeinsame Themen. Auch die tiefgehende Partnerschaft der Zuschauer mit dem Fernsehen spielt eine Rolle. Während Video-on-Demand sozusagen identitätslos ist, wird lineares Fernsehen mit Sendergesichtern und -marken oder seinem Lieblings-Format in Verbindung gebracht. Das schafft Identität und das Gefühl eines Gegenübers, eines Partners.

Zuschauer sind nicht mehr einfach nur Zuschauer und Konsument

„Wir haben aus eigenem Interesse ständig den Blick auf die Entwicklungen des Videomarktes. Es gibt immer mehr Angebote und Anbieter, was nicht nur den Markt verändert hat, sondern die Mediennutzung insgesamt. Zuschauer sind nicht mehr einfach nur Zuschauer und Konsument, sondern Agierende mit klaren Erwartungshaltungen“, erklärt Thomas Kreyes, Mitglied der Geschäftsleitung der Mediengruppe RTL Deutschland. „Diese Erwartungshaltung wird durch die rheingold-Studie sehr klar und deutlich: Bei aller Liebe zum Streaming ist TV das Fenster zur Welt, und das mit aller Vielfalt und einem Alltagsbezug. Hierbei spielt Werbung eine wichtige Rolle, denn die Spots sorgen für alltägliche Zusammenhänge, die den Zuschauer immer wieder in den Alltag und die Realität zurückholt. Ein offensichtlich unabdingbarer USP. Nicht umsonst erreicht TV innerhalb von drei Tagen eine Nettoreichweite von 94 Prozent, während die Streamingdienste auf 15 Prozent kommen.“

Das Studiendesign Bewegtbild-Studie

Das rheingold Institut befragte im März und April 2018 für diese Bewegtbild-Studie insgesamt 110 Personen, die sowohl TV- als auch Video-on-Demand-Nutzer sind. Diese wurden in zwei Zielgruppen aufgeteilt: 19 bis 25 Jahre sowie 34 bis 49 Jahre. Die Daten wurden zweistufig erhoben: Etwa 50 Bewegtbildnutzer wurden in qualitativen Einzelinterviews befragt und 60 weitere in zwei rheingoldArenen (Gruppendiskussionen). Für die Diskussionsrunden wurden acht bis zehn Bewegtbildnutzer vor Ort befragt sowie 20 weitere Online-Gäste dazu eingeladen, deren schriftlichen Beiträge in die Diskussion mit eingebracht wurden.

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