Die Generation 50+ liebt und lebt deutlich freier und kompromissloser als die Generationen gleichen Alters vor ihr. Besonders Frauen erleben in ihrer zweiten Lebenshälfte einen neuen Level der Emanzipation, verteidigen ihre gewonnenen Freiräume und wollen nicht wieder in die Versorgerinnen-Rolle geraten. Daraus resultiert sowohl eine bemerkenswerte Lebendigkeit wie auch ein Aufbruch ins Unverbindliche.
„Männer nur noch ambulant, nicht mehr stationär“!
57 % der weiblichen Singles in der Altersgruppe zwischen 50 und 70 wünschen sich keine Beziehung. Bei den männlichen Singles sind es nur 46 Prozent, die keine Beziehung wollen. Männer erweisen sich in der Beziehungssuche sogar als die größeren Romantiker. Während 81 Prozent der alleinstehenden Männer, die Liebe des Lebens suchen, sind es bei den vergleichbaren Frauen nur 73 Prozent.
63 % bezeichnen ihre Partnerschaft als Liebesbeziehung
Insgesamt sind die Menschen, die in einer Beziehung sind, relativ zufrieden mit ihren Partnern und Partnerinnen, nur acht Prozent sind eher unzufrieden mit ihren Beziehungen. Sogar 63 Prozent sprechen von einer Liebesbeziehung.
Die Generation 50+ ist eine Generation „Jetzt Ich!“
Wichtig war es den Befragten beider Geschlechter, ihren eigenen Lebenssinn zu erfüllen und mehr als zuvor auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Die Generation 50+ ist damit auch eine Generation „Jetzt Ich!“. Dies sind zentrale Erkenntnisse der aktuellen Witt-Studie, durchgeführt durch das rheingold Institut, die das Lebensgefühl und das Beziehungsleben der Generation 50+ in Deutschland untersucht hat. Die Studie basiert auf 65 zweistündigen psychologischen Tiefeninterviews und einer repräsentativen Online-Befragung von 1.061 Personen im Alter von 50 bis 70 Jahren.
Frauen 50+: energiegeladen, offen und bereit für Neuanfänge
Besondere Experimentierfreude und Verwandlungsbereitschaft im Beziehungsleben zeigte der weibliche Teil der Generation „Jetzt Ich!“ Während Männer mehr auf die Partnerin fixiert scheinen, so sind Frauen tendenziell offener und unternehmen beispielsweise zahlreiche Freizeitaktivitäten mit Freundinnen und Freunden, Bekannten oder ihren Kindern. Männer machen die befragten Aktivitäten im Durchschnitt 6% häufiger mit ihren Partnerinnen und Partnern als die Frauen.
Hier geht es zur Aufzeichnung der Präsentation der Studie vom 3. September 2024
Frauen haben stabilere soziale Netzwerke
Die Frauen verfügen dabei über stabilere soziale Netzwerke. 41% der Frauen stimmen der Aussage voll zu, dass sie sich auf ihre Freunde verlassen können (Männer 31 Prozent). Insgesamt beweist vor allem der weibliche Teil der Generation 50+ ein bemerkenswertes Energielevel und die Bereitschaft zu Neuanfängen in Beziehungen und anderen Bereichen des Lebens. „Ich bin wie Pippi Langstrumpf und mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“, sagte eine weibliche Probandin, 69 Jahre, im Interview.
Freiheit statt Verpflichtung: Frauen 50+ suchen Unverbindlichkeit
„Wir wissen aus früheren Studien, dass sich gerade diese Generation der Frauen in ihren jüngeren Jahren in einem Multiperfektionszwang zwischen Partnerschaft, Familie und Beruf zerrieben hat“, kommentiert der Gründer des rheingold Instituts, Stephan Grünewald. Mit zunehmender Reife pochten sie nun auf ihre Unabhängigkeit und verteidigten ihre Freiräume, manche auch auf Kosten der Verweigerung einer neuen Partnerschaft. „Frauen in der zweiten Lebenshälfte setzen mehr als früher auf einen Aufbruch ins Unverbindliche“, so Grünewald. Das bedeutet, dass sie sich nicht mehr so stark festlegen oder fest binden möchten. Frei nach dem Motto „Männer nur noch ambulant, nicht mehr stationär“, wie eine Teilnehmerin im Interview festhält.
Männer kämpfen um den Erhalt des Status Quo, auch in Sachen Sexualität
Bei den Männern wird im Gegensatz zu den Frauen in vielen Bereichen weniger auf Entwicklung als auf „Halten“ gespielt. Sie versuchen, das Altern weit weg zu schieben und einen Status Quo an Vitalität, Mobilität und Flexibilität aufrechtzuerhalten. Dies gilt auch für die Wünsche nach Sexualität und die demonstrierte Potenz. Statt „Ich bin alt“ sagen die Männer eher: „Ich bin noch der Alte.“ Auch in der Sexualität wünschen sie sich mehr Anknüpfung an frühere Zeiten. Männer auf Beziehungssuche legen sehr viel Wert auf guten Sex (70 Prozent), während dies nur für 31 Prozent der Frauen Priorität hat. Auch haben sie dem Klischee entsprechend eher den Wunsch, eine jüngere Partnerin (Männer 58% vs. Frauen 30%) zu finden. 10 Prozent der 50-70-Jährigen nutzen Dating-Portale, vor allem Tinder und Finya.
Keine Flaute im Bett, aber gerne mehr
Insgesamt ist die Generation 50+ eine sexuell aktive Gruppe (nur 22 % geben an, gar keinen Sex zu haben), die sich durchaus auch noch mehr Sex wünscht. 49 % wünschen sich mehrmals im Monat oder häufiger Sex. Allerdings ist das nur für 30 % der Befragten Realität. Die Anzahl derjenigen, die keinen Sex haben, steigt jedoch mit dem Alter (50-54 Jahre = 15 %; 55-59 Jahre = 20 %; 60-64 Jahre = 26 %; 65-70 Jahre = 25 %).
Beziehungen: die Mehrheit spricht von Liebe
Insgesamt sind die Menschen, die in einer Beziehung sind, relativ zufrieden mit ihren Partnern und Partnerinnen, nur acht Prozent sind eher unzufrieden mit ihren Beziehungen. Sogar 63 Prozent sprechen von einer Liebesbeziehung, 25 Prozent von einer Mischung aus Zweck- und Liebesbeziehung. Nur vier Prozent bezeichnen ihre aktuelle Beziehung als reine Zweckbeziehung. Auch daran zeigt sich, dass die Generation 50+ keine Kompromisse mehr macht und nicht bereit ist, in einer unbefriedigenden Beziehung zu verharren.
Einsamkeit nicht das bestimmende Thema
Obwohl Einsamkeit in der Gesellschaft ein vieldiskutiertes Thema ist, so scheint es in der Generation 50+ nicht das bestimmende Thema zu sein. Nur 25 % der Befragten sagen, dass sie sich manchmal isoliert fühlen. Das Geschlecht oder das Alter spielen beim Thema Einsamkeit weniger eine Rolle, mehr der Eintritt in den Ruhestand – 30 Prozent der Ruheständler vs. 23 Prozent der Erwerbstätigen fühlen sich manchmal isoliert. Viel mehr fürchtet sich die Altersgruppe vor einer möglichen Einschränkung ihrer Autonomie.
Vielfalt an Möglichkeiten und Aufbruch ins Unverbindliche
In den zweistündigen Interviews wird deutlich, dass das Alter(n) für diese Generation in weite Ferne gerückt ist. Viele suchen aktiv nach neuen Möglichkeiten und Abenteuern. Teilweise experimentieren sie mit einem kompletten Bildwechsel und wollen das Feuer neu entfachen. So berichtet ein 67-jähriger Teilnehmer: „Ich will nochmal ein Comedy-Programm auf die Bühne bringen. Das hat mich nie losgelassen, aber irgendwie hatte ich mich bisher nie getraut.“ Eine 55-jährige plant, als Granny-Aupair ins Ausland zu gehen. Doch nicht immer müssen die Projekte dann auch in die Tat umgesetzt werden.
In einer Art Zwischen-Welt bleibt die Generation „Jetzt Ich!” beweglich und will sich nicht festlegen. Patchwork-Konstellationen, Fernbeziehungen oder die Beziehung ohne Zusammenwohnen, die Palette an Beziehungsgestaltung ist groß. „Diese Generation nimmt sich die Freiheit, tradierte Beziehungsbilder zu nutzen oder mit dem Aufbruch ins Unverbindliche das Puzzle des Lebens noch einmal neu zusammenzusetzen,” sagt Studienleiter Heiko Thomas. Im Unverbindlichen zu bleiben, verspreche dabei eine Vielfalt an Möglichkeiten – nicht nur bei neuen Paarbeziehungen.
Insbesondere Frauen 50+ fühlen sich jung
Vom Altsein grenzt sich die Generation „Jetzt Ich!“ zwischen 50 und 70 klar ab, die meisten fühlen sich stark, lebendig und mitten im Leben. Besonders die Frauen fühlen sich jung, ihr gefühltes Alter liegt im Schnitt acht Jahre unter ihrem biologischen Alter, gleich alte Männer fühlen sich sechs Jahre jünger. Gleichzeitig sind die Frauen aber auch großzügiger in der Bewertung anderer. Aus weiblicher 50+-Perspektive sind Menschen ab 72 Jahren alt, für Männer jedoch bereits ab 69.
Jugendwahn „Nein, danke!“ – Midlife-Chance statt Midlife-Crisis
Altsein beginnt für 74 Prozent der Befragten erst mit einem Verlust von Autonomie und starken körperlichen Einschränkungen. Insgesamt will die Generation zwar jugendlich wirken, befreit sich aber mehr und mehr vom Jugendwahn, der als zwanghafter Treiber an Bedeutung verliert. Die Generation 50+ steht mehrheitlich zu ihren Fältchen oder grauen Haaren und sieht sie nicht als Zeichen des Altseins (69 Prozent). Gleichzeitig wollen sie sich fit, vital und beweglich halten. 64% der Befragten geben an Sport zu treiben und sind mehrheitlich aktiv. Dabei sind ihre Aktivitäten sehr vielfältig und entsprechen nicht unbedingt dem Klischee. So spielen beispielsweise 38 % der Altersgruppe Videospiele. Neben Kochen, Lesen und Reisen gehen sie auch mit ihren Kindern auf Partys, machen Fallschirmsprünge oder kaufen sich Motorräder. Das klassische Bild der plötzlich auftretenden Midlife-Crisis scheint überholt, stattdessen wird diese Lebensphase als Midlife-Chance begriffen.
Biologisches Alter lässt sich schwer an Äußerlichkeiten festmachen
Insgesamt konnte man das Alter der Interviewten nur schwer schätzen. Jüngere Vertreter und Vertreterinnen der Generation wirkten manchmal bereits relativ alt, Ältere wirkten hingegen manchmal noch sehr jung. Vielen sieht man ihr biologisches Alter weder an der Kleidung noch an ihrem Aussehen und Auftreten an. Es scheint, als habe sich die Generation 50+ nicht nur in Partnerschaften, sondern auch von den Zwängen des Alters emanzipiert.
Eine 68-jährige Teilnehmerin fasste es zusammen: „Alter ist nur eine Zahl. Ich bin nur theoretisch alt.“
No-Go „Senior“
Begriffe wie „Silver Ager“ oder „Best Ager“ werden daher abgelehnt, „Senior und Seniorin“ gelten fast als Schimpfwort. Stattdessen identifizieren sich Befragte, wenn überhaupt, mit dem neutralen Begriff „Generation 50+“ (31%) oder auch einer Zugehörigkeit zu den „Baby Boomern“ (22%). Insgesamt fühlen sich die Probanden jedoch ihrer Generation zugehörig.
Zitat: „Wir als Generation haben das Konservative in uns, aber auch die Revolution gelebt: Wir sind eine geile Generation, die Jugend von heute beneidet uns um die wilden 70er!” (Frau, 67)
Die Studie identifiziert sechs unterschiedliche Typen in Beziehungen:
1. Die Bewahrer – „Loyalty Maintainers“
Diese Gruppe möchte bekannte Strukturen erhalten und in alten Bindungen bleiben, sie erinnert am ehesten an das Lebensgefühl früherer Generationen ihres Alters. Ihr Rollenverständnis ist eher traditionell. Sie schätzen Treue, stabile langjährige Beziehungen und verlässliche Freunde. Rituale sind wichtig in ihrem Tagesablauf. Kontinuität gibt ihnen Sicherheit im Leben, kann aber auch zu einem Festhalten an alten Mustern führen.
Ein 70-jähriger Teilnehmer beschreibt es so: „Ich habe nicht mehr die große Leidenschaft, aber ich bringe ihr mal Blumen mit als kleine Aufmerksamkeit.“
2. Die Minimierer – „Flatliner“
Kernfaktor ist bei dieser Gruppe die Reduktion. Sie reduzieren ihren Freundeskreis auf die wichtigsten Beziehungen und setzen auch bei Aktivitäten klare Prioritäten. Insgesamt wirken sie zufrieden mit ihrer Beziehung und suchen das Glück in kleinen Dingen. Flatliner machen es sich in der Beziehung wie in einem eigenen Reich bequem, das Leben ist eher langsam.
Ein Teilnehmer, 69, sagt: „Bei mir sind keine Wünsche offen. Ich mache was mir gefällt in kleinen Kreisen. Früher war ich auf der ganzen Welt unterwegs, jetzt suche ich das Glück in der Nähe.“
3. Die Halt-Suchenden – „Safety Cravers“
Diese Gruppe strebt nach bislang nicht vorhandener Stabilität und wollen die Sicherheit gerne erzwingen. Sie schätzen die Beziehung als Rückzugsort und machen auch insgesamt Halt im Leben. Ihre Erschöpfung ist spürbar, und sie wirken insgesamt älter. Diese Beziehungsform ist öfter bei Menschen zu finden, die Schicksalsschläge verarbeiten mussten. Sie haben kein großes Interesse an einem dynamischen Liebesleben, sondern eher an einer stabilen Partnerschaft, die ihr Leben insgesamt stabilisiert.
Zitat: „Ich freue mich auf den Ruhestand.“ (Frau, 55 Jahre)
4. Die Unverbindlichen – „Situationshipper“
In dieser Gruppe wird Unverbindlichkeit als Chance gesehen. Es gibt keine Intention, eine feste langfristige Beziehung aufzubauen. Die sporadischen Beziehungen sind oft kompromisslos und charakterisiert durch ein Nebeneinander. Vertreter und Vertreterinnen gehen ihren unterschiedlichen Interessen mit jeweils wechselnden Bekanntschaften nach. Neue Beziehungen wirken „lose“ und sind nicht von Dauer.
Eine 59-jährige Teilnehmerin erklärt: „Ich bin immer weniger bereit, Kompromisse einzugehen.“
5. Die ewig Jungen – „Youth Repeater“
Diese Gruppe möchte die Jugend nicht enden lassen. Sie gehen feiern, haben jüngere Freunde und nutzen Dating-Portale, um wechselnde Bekanntschaften zu machen. Insgeheim treibt sie eine Furcht vor Stillstand um. Sie sind oft nicht in stabilen, langjährigen Beziehungen und legen viel Wert auf Zeichen ihrer Vitalität wie jugendliches Aussehen, Sportlichkeit und Sex.
„Meine Freundinnen mit Mann und Kindern sind völlig eingeschlafen. So ein langweiliges Leben will ich gar nicht haben, ich bin glücklich mit meiner Fernbeziehung.“ (Frau, 50 Jahre)
6. Die Neustarter – „Second Lifers“
Diese Menschen erfinden sich, ihren Alltag und ihre Beziehungen neu und streben nach Selbstbestimmung. Vergangene Partnerschaften wurden zur Lehre, wie es nicht laufen sollte. Stattdessen wünschen sie sich Autonomie, Weiterentwicklung und neue Erfahrungen. Diese Beziehungsform ist öfter bei Frauen zu finden.
Eine 59-jährige Teilnehmerin betont: „Ich hätte gar keine Lust mehr, mein Leben mit jemandem zu teilen, ich bin froh, dass ich auch zu Hause machen kann, was ich will.“
Generation „Jetzt Ich!“ will ihr Leben genießen
„Die steigende Selbstbezüglichkeit der Generation 50+ ist auch ein Zeichen des Zeitgeistes. Krisen wie der Klimawandel, Kriege oder der Substanzverlust der deutschen Wirtschaft werden genauso verdrängt und vom eigenen Leben möglichst ferngehalten wie die Zeichen der eigenen Sterblichkeit”, sagt Stephan Grünewald. Dies korrespondiere mit einem gesamtgesellschaftlichen Erleben einer Nachspielzeit, die eine vermutlich unbequeme und anstrengende Zeitenwende noch möglichst lange hinauszögern wolle. Die Generation „Jetzt ich!“ liebe und lebe im Hier und Jetzt. Sie habe sich ein selbstbestimmtes Leben erkämpft und will es jetzt auch genießen.
Witt-Studie rückt Generation 50+ in den Mittelpunkt
„Der zunehmende demografische Wandel führt dazu, dass ältere Bevölkerungsgruppen immer relevanter werden. Während alle über die Generation Z reden, konzentrieren wir uns daher auf die Generation 50+”, erklärt Patrick Boos, Vorsitzender der Geschäftsführung der Witt-Gruppe. „Um ein besseres Verständnis für deren Bedürfnisse zu bekommen, haben wir gemeinsam mit rheingold die große Witt-Studie aufgesetzt. Wir wollten wissenschaftlich fundiert herausfinden, wie die Generation 50+ denkt, wie sie liebt und lebt. Jetzt verstehen wir noch besser, was diese Generation wirklich braucht.“
Die Witt-Gruppe mit Sitz in Weiden ist vor allem bekannt durch die Marken Witt und heine und hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihrer Mode Frauen ab 50 in ihrer Selbstbejahung und Selbstbestimmtheit zu bestärken. „Wir wollen unseren Kundinnen die beste Zeit des Lebens mit ermöglichen”, so Boos. Mit der Studie schärft das Omnichannel-Unternehmen das Bewusstsein für die Lebensrealität dieser Generation, die in der Öffentlichkeit im Vergleich zu jüngeren Generationen eher weniger Beachtung erfährt.
Ismene Poulakos ist Journalistin und Storytelling-Expertin. Bei rheingold verantwortet sie alle Publishing-Aktivitäten wie zum Beispiel PR-Studien und die rheingold Webinare.
Tel.: +49 221 912777-44
E-Mail: poulakos@rheingold-online.de